Positionspapier
15.05.2024

Positionen und Forderungen des Grain Clubs zur Europawahl 2024

Unsere Grundwerte und unser Auftrag

Die Europawahl steht im Zeichen großer Herausforderungen. Die EU steht für politische Stabilität und über 70 Jahre Frieden durch wirtschaftliche Zusammenarbeit der Staaten. Populistische und radikale Strömungen stellen diese Erfolge in Frage. Vor diesem Hintergrund fordert der Grain Club die Parteien sowie die EU-Wahl-Kandidatinnen und -Kandidaten dazu auf, die Grundwerte der EU zu stärken und sich für ein resilientes und starkes Europa einzusetzen.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zwingend erforderlich, dass die Wettbewerbsgleichheit im EU-Binnenmarkt gesichert wird und der globale Handel weiter ausgebaut werden kann. Hierfür bedarf es weiterhin mehr Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards, wie auch eines effektiven Investitionsschutzes. Unsere Unternehmen brauchen mittelfristige Planungssicherheit (mind. 5 Jahre) für Entscheidungen und Investitionen.

Als wichtige Marktteilnehmer entlang globaler Agrar-Lieferketten ist es unser Selbstverständnis, die verlässliche Versorgung mit guten Lebens- und Futtermitteln sicherzustellen. Gleichzeitig ist unsere Branche enorm von den negativen Folgen des Klimawandels und der Abhängigkeit von knappen Energieressourcen betroffen. Die daraus resultierenden Probleme können nur gemeinschaftlich gelöst werden, indem der notwendige Austausch mit Marktbeteiligten bei Gesetzgebungsverfahren in Deutschland und in der EU wieder intensiviert wird.

Die Politik trägt jetzt die Verantwortung, ihre Folgenabschätzungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu treffen. Dabei müssen technologieoffene Rahmenbedingungen für nachhaltige Lieferketten und notwendige Innovationen für eine zeitgemäße Lebensmittelproduktion gesetzt werden.

Die Lebensmittelproduktion in Deutschland muss gestärkt werden, wofür folgende Maßnahmen notwendig sind:
 

  • Der europäische Grüne Deal steht im Spannungsfeld zwischen Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der EU im Agrarsektor. Die Maßnahmen der Farm-to-Fork-Strategie sind auf ihre Praktikabilität und Wirksamkeit zu prüfen bzw. zu überarbeiten.
  • Eine bedarfs- und standortgerechte Nährstoffversorgung ist in Verbindung mit Forschung zur Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes mit insektenverträglichen Wirkstoffen sicherzustellen.
  • Das veraltete EU-Gentechnikrecht muss aktualisiert und ein zeitgemäßer Rechtsrahmen für die Anwendung von Instrumenten moderner Züchtung wie die neuen genomischen Techniken (Genschere CRISPR/Cas) muss auf EU-Ebene geschaffen werden. Es soll keine Kennzeichnung für agrarische Rohstoffe und Produkte aus neuen Züchtungsmethoden ohne Einbringung artfremder DNA (Kategorie 1) geben — wie von der EU-Kommission vorgeschlagen.  

  • Europas Handelspolitik steuert aktuell auf eine Zeitenwende zu. Dafür ist jedoch nicht in erster Linie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verantwortlich. Vielmehr ist dies eher langfristig wirkenden Einflussfaktoren zuzuschreiben: Protektionismus nimmt weltweit zu, der Welthandel wächst nur noch geringfügig oder stagniert, die Globalisierung befindet sich in einer Transformation. Gleichzeitig wird der internationale Handel zunehmend für Zwecke der Politik instrumentalisiert.
  • Doch neben vielen Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen und Verbrauchern darf die Handelspolitik nicht den internationalen Wettbewerb und die globalen Märkte aus dem Blick verlieren. Wichtig ist, dass Europas Unternehmen auch offensiv neue Liefer- und Absatzmärkte erschließen. Dafür braucht es u.a. mehr Handelsabkommen. Der Agrarhandel soll weiterhin die Welternährung sichern können.

Der Grain Club unterstützt das Ziel nachhaltiger Lieferketten sowie einer umweltschonenden europäischen Landwirtschaft, die im Einklang mit Klimaschutz, Umweltschutz und Biodiversität steht. Für die Umsetzung bedarf es Folgendes:
 

  • Die Kohärenz aller Gesetze muss in den Blick genommen, Doppelpflichten vermieden und die Einbindung bereits existierender nationaler Systeme bei Implementierung von EU-Vorhaben (bestehende Datenbanken, Zertifizierungssysteme, nationale Gesetze) berücksichtigt werden.
  • Es müssen Impulse für zertifizierte Produkte gesetzt werden, indem beispielsweise mehr Verbraucherinformationen zum Thema nachhaltige Produkte und die Relevanz von Zertifizierungssystemen bereitgestellt werden.
  • Bürokratieabbau, Harmonisierung technischer Standards sowie praktikable Berichtspflichten, die der Zielerreichung dienen und nicht zu höheren Kosten führen, wie das zum Teil aufgrund von Gesetzesinitiativen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) oder European Deforestation Regulation (EUDR) der Fall ist.
  • Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten müssen umgehend alle notwendigen staatlichen Vorbereitungen treffen, damit die betroffenen Marktbeteiligten die EUDR ab dem 30.12.2024 rechtssicher umsetzen können. Sollte dies nicht rechtzeitig erfolgen, können die Marktteilnehmer die neue Verordnung nicht anwenden. Für diesen Fall muss die EU-Kommission schnelle und praktikable Lösungen bereit halten.

Der klimafreundliche Umbau der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft kann nur gelingen, wenn die Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen garantiert wird.
 

  • Eine klare, verlässliche Versorgungs- und Klimastrategie muss für mehr Planungssicherheit gewährleistet werden.
  • Es müssen faire Wettbewerbsbedingungen für energieintensive Industriebetriebe, aber auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, um verschiedene Technologien unbürokratisch nutzen zu können. Dadurch soll die Abwanderung von Produktion vermieden werden (Carbon Leakage).
  • Die Industrie soll bei der Minimierung der klimaschädlichen Emissionen unterstützt werden, indem wettbewerbsfähige klimaneutrale Energieträger bereitgestellt werden bzw. die Nutzung dieser Energieträger wirtschaftlich rentabel wird.
  • Biokraftstoffe müssen Teil des Energiemixes bleiben, damit die CO2 -Belastung im Verkehr deutlich und langfristig gesenkt werden kann.

Quelle Titelbild: wirestock auf Freepik