Das gemeinsam vom Grain Club und dem Wirtschaftsausschuss für Außenhandelsfragen beim BMEL (WAA) organisierte GFFA-Fachpodium im Rahmen der IGW 2020, zu dem rund 160 Besucher kamen, widmete sich dem Thema “Anspruch und Realität: Lösungen für eine faire, inklusive, sichere und nachhaltige Soja-Lieferkette”. Am Beispiel des für die Welternährung essentiellen Anbaus, Handels und Einsatzes von Soja beim Auf- und Ausbau nachhaltiger Lieferketten haben hochrangige Referenten aus Wirtschaft, Landwirtschaft, Verbänden und Forschung den Status Quo, die Perspektiven und die dabei auftretenden Herausforderungen beleuchtet. Im Mittelpunkt stand neben Versorgungssicherheit insbesondere die Diskrepanz zwischen Nachhaltigkeitsansprüchen und tatsächlicher Marktsituation.
Grain Club-Vorsitzender Thorsten Tiedemann betonte in seiner Eröffnungsrede, dass sich die Verbände der Allianz für offene Grenzen, einen freien Warenverkehr zum Nutzen aller Beteiligten sowie für eine stabile Versorgung der Märkte mit sicheren und hochwertigen Lebensmitteln einsetzen. Die Bedeutung einer nachhaltigen Lieferkette nehme dabei stetig zu. “Die Branche unternimmt bereits heute große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass der Anbau in den Ursprüngen durch die ganze Lieferkette bis in unsere Verarbeitung nach ökologischen, ökonomischen und sozialen Grundsätzen stattfindet”, so Tiedemann. Er hob darüber hinaus die Bedeutung von Innovationen hervor:
Insbesondere im Anbau kann zum Beispiel der Einsatz der neuen Züchtungstechnologien diese Entwicklung deutlich beschleunigen.
Während der Veranstaltung wurde das Publikum mit Hilfe einer interaktiven Umfrage aktiv eingebunden.
Stefan Vogel, Leiter Marktanalyse für agrarische Rohstoffe bei Rabobank, ging auf die Rolle von Soja in der weltweiten Agrarwirtschaft ein: Die Sojabohne sei das wichtigste Eiweißfuttermittel und nach Palmöl die am meisten verbreitete und wichtigste Pflanzenölressource für die menschliche Ernährung. Dabei gebe es einen steigenden Anteil an nachhaltig produziertem Soja. Die EU habe hier ganz klar eine Vorreiterrolle bei der Nachfrage. Es gebe jedoch einen Haken: Die Futtermittelwirtschaft könne einen wichtigen Beitrag leisten, aber am Ende des Tages brauche es die ganze Kette und den Verbraucher, der auch im Supermarkt gewählt sei zu sagen, ich bezahle dafür.
Diese These bestätigte auch Dr. Ingo Schoenheit, Vorstand des imug Instituts für Marktforschung mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Konsum. Gute Nachricht sei, dass unter den Verbrauchern ein großer Wandel stattfinde: genussvoll konsumieren werde mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Schlechte Nachricht sei jedoch, dass nur ein ganz kleiner Teil dafür mehr Geld ausgeben wolle.
André Nassar, Präsident des brasilianischen Verbandes der Ölsaatenverarbeitenden Industrie (ABIOVE) betonte mit Blick auf die Situation im brasilianischen Regenwald, dass das wichtigste Werkzeug für einen nachhaltigen Anbau von Soja in Brasilien das sogenannte “Amazonas Soja-Moratorium” sei. Dieses habe nachweisbar bewirkt, dass Soja kein Treiber der Entwaldung in Amazonas mehr sei und müsse aus Sicht der Verarbeiter und Händler unbedingt erhalten bleiben.
Landwirt und Mitglied des Büros des französischen Nationalen Verbandes der Ölsaaten- und Proteinproduzenten (FOP), Benjamin Lammert, zeigte die Bedeutung des Agrarhandels auf: “Wir haben nicht dieselben agronomischen Fähigkeiten hier in Europa wie in Brasilien, um Soja zu kultivieren”. Wenn wir aber auch den heimischen Anbau fördern wollen, so bräuchten wir unter anderem auch die neuen Züchtungstechniken, um Pflanzenkrankheiten zu bekämpfen und Erträge zu steigern.
Bei der Diskussion um mehr Nachhaltigkeit darf die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels nicht außer Acht gelassen werden. Thomas Gutberlet, Geschäftsführer tegut, veranschaulichte, wie sehr der Handel den deutschen Konsumenten prägt: “Wenn wir jede Woche erzählen, dass noch ein kleinerer, noch niedrigerer Preis möglich ist (…), dann denkt er auch, dass das so ist”; “Wir sind als Händler in der Mittlerfunktion zwischen Hersteller und Kunden (…) Das ist immer verbunden mit der Information. Und wir als Händler sind auch dafür zuständig, dass genau diese Information über die Konsequenzen dessen, wie der Konsument sich verhält, zum Konsumenten kommt.”
Die Experten auf dem Fachpodium waren sich einig: nachhaltige (Soja-)Lieferketten könne es geben, wenn alle Beteiligten vom Erzeuger über Politik bis Konsument an einem Strang ziehen. Dazu wurde auch das Publikum befragt “Wer sollte die Kosten für mehr Nachhaltigkeit tragen?” Das Ergebnis der Abstimmung lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken:
Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Vorsitzender vom Wirtschaftsausschuss für Außenhandelsfragen beim BMEL (WAA) und Mitorganisator des Fachpodiums, betonte in seiner Schlussbetrachtung, dass der internationale Agrarhandel dringender denn je klare Rahmenbedingungen auf multilateraler Ebene brauche. Deshalb müsse die WTO unbedingt wiederbelebt werden.
Die Veranstaltung wurde moderiert vom Radiomoderator Christoph Azone (radioeins).