Positionspapier
18.01.2022

Positionen zur 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages 2021-2025

Die Verbändeallianz Grain Club vertritt die Interessen der in Deutschland in Erfassung, Handel und Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätigen Unternehmen. Sie tragen erheblich zur Stärke der deutschen Agrarwirt schaft bei. Mit einem Umsatzvolumen von etwa 500 Mrd. Euro erwirtschaftet das deutsche Agribusiness rund 8 Prozent des gesamtwirtschaftlichen Produktionswertes. Im Weltagrarhandel steht Deutschland sowohl bei den Einfuhren als auch den Ausfuhren an dritter Stelle. Global eingebunden macht das eine effiziente und nachhaltige Ressourcennutzung möglich.

Die effiziente Nutzung der vorhandenen natürlichen Ressourcen ist angesichts der Herausforderungen des Klimawandels dringend geboten. Wetterextreme und Ernteausfälle gefährden die Versorgungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung. Deutschland und Europa können ihrem Anspruch, Vorreiter für Innovationen und Nachhaltigkeit im Agrarbereich zu sein, daher nur mit dem Ansatz einer smarten Effizienzsteigerung gerecht werden. Dafür müssen wir alle verfügbaren Technologien nutzen. Dies umfasst Erfahrungen aus dem ökologischen Landbau ebenso wie eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung und neue Züchtungsmethoden.

Das vorrangige Ziel für Politik und Wirtschaft muss es sein, die Versorgung zu sichern sowie die Landwirtschaft bei ihrer Transformation hin zu mehr Nach haltigkeit zu unterstützen. Dabei muss eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeitsziele des European Green Deal bzw. der Farm-to-Fork- und der Biodiversitäts strategie ermöglicht werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Politik in der neuen Legislaturperiode hierfür die notwendigen Voraussetzungen schafft.

Die Agrarwirtschaft ist bereits dabei, geeignete Lösungen für diese Heraus forderungen zu entwickeln. Damit sie ihre volle Kraft entfalten können, muss die Branche sie jedoch auch nutzen dürfen. Mit diesem Positionspapier wünschen wir der neuen Bundesregierung einen erfolgreichen Start in die neue Legislaturperiode und stehen für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung.

1. Ökonomische und ökologische Auswirkungen des Green Deal bedenken 

Die Verbändeallianz Grain Club unterstützt das zentrale Ziel der Farm-to-Fork Strategie der EU-Kommission, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Dabei soll eine sichere Versorgung mit erschwinglichen Lebensmitteln gewährleistet werden. Unsere Branche leistet bereits heute einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung und wird diesen Wandel auch in Zukunft fördern. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Maßnahmenvorschläge erfolgten allerdings ohne konkrete Angaben zur Umsetzung und ohne Folgenabschätzung. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zu einem signifikanten Rückgang der gesamten landwirtschaftlichen Produktion führen werden. Eine Ursache sind geplante pauschale und unverhältnismäßige Einschränkungen bei Pflanzenernährung und Pflanzenschutz. Diese gehen zulasten von Menge und Qualität der Ernteerzeugnisse – mit einschneidenden Konsequenzen für Produktion und Agrarhandel. Den hierzu lande in der tierischen Erzeugung tätigen Unternehmen droht der Kollaps.

Eine solche Entwicklung will der Grain Club abwenden, denn Deutschland ist angesichts hoher Flächen- und Ressourceneffizienz, ausreichend verfügbarem Wasser und hervorragender Technologisierung eine ertragsstarke Region. Agrarische Rohstoffe lassen sich hier nachhaltig erzeugen. 

Während wir bei Obst und Gemüse, bei Kaffee, Tee und Kakao sowie bei Eiweiß trägern nicht ohne Importe auskommen, ist die deutsche Landwirtschaft in der Lage, einen großen Teil des inländischen Bedarfs an Getreide durch eigenen Anbau abzudecken und wird als zuverlässiger Lieferant von Qualitätsgetreide in die EU und Drittländer geschätzt. 

Die EU ist bei einigen Produkten aktuell ein wesentlicher Exporteur am globalen Agrarmarkt. Der starke Produktionsrückgang im Zuge der Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie führt laut der wissenschaftlichen Studien daher zu einer Umkehr von einer Netto-Exportposition in eine Netto-Importposition. Diese Entwicklung wird nicht nur viele landwirtschaftliche Betriebe gefährden, sondern auch die im vor- und nachgelagerten Bereich agierenden Unternehmen als Partner der Landwirtschaft. Dies stellt eine erhebliche Schwächung der wirtschaftlichen Strukturen im ländlichen Raum dar und mindert das Potential einer regionalen und sicheren Versorgung mit Lebensmitteln. 

Darüber hinaus zeigen die Studien, dass die prognostizierten Treibhausgas Einsparungen (THG) mittels Verringerung der europäischen Agrarproduktion durch eine Erhöhung der THG-Emissionen der Landwirtschaft außerhalb der EU sowie durch Landnutzungsänderungen in der EU vollständig nivelliert werden. Drittländer mit schlechteren Produktionsbedingungen müssen deutlich mehr Naturfläche in landwirtschaftliche Fläche umwandeln, um die entstandene Lücke auf dem globalen Agrarmarkt zu schließen. 

Der Grain Club appelliert an die neue Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die vorgesehenen Maßnahmen der Farm-to-Fork-Strategie entlang folgender Fragestellungen überprüft werden: Sind die Maßnahmen wirksam? Wie geht man mit negativen Nebeneffekten um? Welche alternativen Maßnahmen eignen sich besser für die Zielerreichung?

2. Anwendung von Innovationen in der Landwirtschaft ermöglichen und fördern

Zuchttechniken

Veränderte klimatische Bedingungen sowie neue Schädlinge und Resistenzen stellen die Agrarwirtschaft vor große Herausforderungen. Hinzu kommen politische Forderungen zur Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes. Um diesen Anforderungen begegnen zu können, sind Innovationen nötig. Sie bieten große Potenziale für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität.

Innovationen in der Pflanzenzüchtung mithilfe von neuen Züchtungsmethoden, wie der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Genschere CRISPR/Cas9 bzw. dem Genome Editing, sind der Schlüssel zur Erfüllung der Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an eine nachhaltigere Landbewirt schaftung und Lebensmittelproduktion sowie an die Versorgungssicherheit. Auch die Präzisionslandwirtschaft auf Basis von Digitalisierung und Vernetzung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Durch ihren Einsatz können die begrenzt verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen ökologisch und ökonomisch noch effizienter genutzt und die Erzeugung hochwertiger Lebens- und Futtermittel unter den erschwerten Bedingungen sichergestellt werden. 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Juli 2018 macht sinnvolle Anwendungen von solchen Innovationen in Europa nahezu unmöglich. Es hat zu praktischen Problemen für die nationalen Behörden und in der Wirtschaft geführt. Eine rechtssichere Identifizierung der Veränderung ist nicht möglich und der Handel mit Massenschüttgütern wie z. B. Sojabohnen schließt die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung aus. Deshalb besteht die Gefahr, dass sich europäische Unternehmen vom Welthandel zurückziehen, was die Lebens und Futtermittelversorgung in Deutschland empfindlich beeinträchtigen würde. 

Die Verbände des Grain Club unterstützen ausdrücklich das Ziel der EU-Kommission, das aktuell geltende Gentechnikrecht an den Stand der Wissenschaft anzupassen. Es bedarf eines differenzierten, vorurteilsfreien und wissen schaftsbasierten Umgangs mit Chancen und Risiken von Innovationen für einen verantwortungsvollen Einsatz zum Nutzen der Gesellschaft.

3. Internationalen Agrarhandel weiter stärken

Ein funktionierender internationaler Agrarhandel ist zur Sicherung der Welt ernährung und zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels unverzichtbar. Agrarprodukte sollten vorrangig dort produziert werden, wo Ressourcen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und effizient und nachhaltig genutzt werden können. So schafft der weltweite Handel den notwendigen Ausgleich zwischen Mangel und Überfluss.

Der Austausch von landwirtschaftlichen Erzeugnissen setzt offene und funktionierende Märkte voraus. Importe von agrarischen Rohstoffen und regionale Selbstversorgung sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich gegenseitig. Der Grain Club spricht sich daher für den Abbau von Handels hemmnissen und gegen pauschale Forderungen nach Importbeschränkungen zugunsten der regionalen Selbstversorgung aus. Die Wertschöpfung in der agrarischen Verarbeitungskette wäre ohne Rohstoffimporte aus Drittstaaten nicht denkbar, auch nicht ohne die dortigen Exportmärkte. 

Die neue Bundesregierung sollte sich ebenfalls dafür stark machen, dass inter nationale Strukturen wie das WTO-System auch weiterhin wirken können und nicht aufgrund von Vorbehalten grundsätzlich infrage gestellt werden. Freie Kapital- und Warenströme müssen gewährleistet bleiben, denn Außenhandel schafft Wohlstand – das ist erwiesen.

4. Nachhaltige Rohstoffversorgung und Lieferketten weiterentwickeln

Zusammen mit dem heimischen Rohstoffangebot ist insbesondere der Import von ernährungsphysiologisch wertvollen Proteinen wesentlich, um die Lebens und Futtermittelversorgung in Deutschland und Europa sicherzustellen. Für den Aufbau und die Weiterentwicklung nachhaltiger und entwaldungsfreier Lieferketten bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, der sowohl Anreize für die Produzenten in den Erzeugerländern schafft als auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Verantwortung nimmt, nachhaltige Lebensmittel an der Ladentheke entsprechend zu honorieren. Dazu gehören auch innovative Techniken beim Anbau sowie züchterischer Fortschritt, um eine nachhaltige Produktion auf bestehenden Flächen zu ermöglichen. 

Der Grain Club und seine Mitgliedsverbände unterstützen das Ziel, den Anteil nachhaltig produzierter Rohstoffe und deren Verarbeitungsprodukte zu erhöhen. Im Gegensatz zu pauschalen Beschränkungen können freiwillige Zertifizierungen einen spürbaren Beitrag zur nachhaltigeren Landnutzung in Drittstaaten leisten. Von der Politik erwarten wir, dass sie Rahmenbedingungen für einen Ausgleich zwischen den wachsenden gesellschaftlichen Ansprüchen an die nachhaltige Rohstoffversorgung und der Wettbewerbsfähigkeit in global vernetzten Lieferketten schafft.

5. Carbon-Leakage-Effekt und Abwanderung der Agrarindustrie aufgrund steigender Energiekosten abwenden 

Die im Grain Club organisierten Verbände vertreten auch energieintensive verarbeitende Unternehmen. Darum fühlen wir uns dem Klimaschutz in besonderer Weise verpflichtet. Doch rasant gestiegene Energiepreise und ein ohnehin überdurchschnittliches Preisniveau in Deutschland gefährden die Wirtschaftlichkeit unserer hiesigen Standorte. Mit ihrem CO2-Ausstoß sind Unternehmen automatisch am europäischen Emissionshandel mit Zertifikaten beteiligt. Und auch der Preis der Zertifikate ist zuletzt massiv angestiegen. Das treibt die Produktionskosten zusätzlich in die Höhe. 

Diese Herausforderungen benötigen politische Unterstützung seitens der neuen Bundesregierung, um hierzulande weiterhin klimaschonend produzieren und zugleich im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Es wäre kontraproduktiv, wenn gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze sowie Wert schöpfung aus Deutschland abwandern und höhere Emissionen in Drittländern mit niedrigeren Standards produziert werden.

Vor diesem Hintergrund fordert der Grain Club die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen für energieintensive Industriebetriebe, um Carbon Leakage (Verlagerung von Emissionen) zu vermeiden. Damit die Industrie ihren CO2-Fußabdruck reduzieren kann, müssen wettbewerbsfähige klimaneutrale Energieträger verfügbar sein. Das Ziel muss sein, die Lebensmittelproduktion in Deutschland zu halten und klimaneutral weiterzuentwickeln.


Die Positionen des Grain Clubs zur 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages 2021-2025 als PDF finden Sie hier.