Der Grain Club ist eine Allianz aus vier deutschen Verbänden der Lebens- und Futtermittelwirtschaft, deren Mitglieder die verschiedenen Stufen der Getreide-, Futtermittel- und Ölsaatenwirtschaft repräsentieren. In der Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft sind die Mitgliedsunternehmen in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen Verarbeitung, Herstellung und Handel tätig. Deshalb werden wir nicht auf biologische / züchtungsspezifische Aspekte eingehen. Dennoch sind wir durch die künftige Regulierung von Pflanzen, die mithilfe von neuen genomischen Techniken (NGT) gezüchtet werden, aufgrund der Auswirkung auf die europäischen und internationalen Warenströme betroffen.
Wir begrüßen den Vorschlag der EU-Kommission zur zukünftigen Regulierung von NGT. Dieser soll ihre Anwendung in der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft perspektivisch ermöglichen, um eine schnellere Züchtung von klima- und standortangepassten, resilienten und ertragreichen Pflanzen zu fördern. Mit ihrem Vorschlag folgt die EU-Kommission den Empfehlungen unabhängiger wissenschaftlicher Einrichtungen.
Die geplante Schaffung verschiedener Kategorien von NGT-Pflanzen ohne Einbringung von artfremden Genen, insbesondere der Kategorie 2, existiert allerdings in anderen Ländern der Welt nicht. Damit die internationalen Handelsströme, insbesondere in Zeiten von Krisen, Konflikten und gestörten Lieferketten, funktionieren, die europäischen Versorgungsmärkte nicht gefährdet und übermäßige Preissteigerungen für Agrarprodukte in der EU vermieden werden, müssen die Bestimmungen zu agrarischen Rohstoffen verschiedener Weltregionen miteinander kompatibel sein. Unterschiedliche regulatorische Vorgaben können weltweit zu Handelshemmnissen führen.
Viele Drittländer, darunter wichtige Handelspartner der EU, haben ihre Gesetzgebung so angepasst, dass NGT-Pflanzen ohne Fremd-DNA gänzlich nicht als GVO reguliert werden und damit schneller Eingang in die landwirtschaftliche Praxis finden. Insbesondere im Handel und in der Logistik mit Massenschüttgütern (Commodities) wie Weizen, Raps, Mais und Soja wird diese Nicht-GVO-, jedoch unter Umständen, NGT-Ware vieler Anbaufelder bereits in den Ursprungsländern vermengt. Deshalb ist schon heute nicht klar, bei welchen Produkten in und aus Drittstaaten die NGT zum Einsatz gekommen sind. Die Detektion der klassischen Gentechnik erfolgt heute rechtssicher mit einem Marker. Bei den NGT geht das nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht.
Weder Handel noch Überwachungsbehörden werden daher den Forderungen aus der neuen NGT-Regulierung infolge der angedachten Unterteilung in Kategorie 1 und 2 nachkommen können, weil eine rechtssichere Identifizierung des Ursprungs einer Veränderung aktuell und bereits seit vielen Jahren trotz intensiver Forschung weiterhin nicht möglich ist. Außerdem schließt die skizzierte Commodity-Logistik eine Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung per se aus.
Es stellt sich mit Blick auf den aktuellen NGT-Vorschlag die Frage, wie mit entsprechender Konsumware im internationalen Agrarhandel rechtssicher umgegangen werden soll. Die Schaffung von mehreren Kategorien könnte Rückverfolgbarkeit, physische Trennung von Warenströmen und die Anwendung von (aktuell nicht existierenden) Methoden zur rechtssicheren Identifizierung der Mutationsursache bei NGT-Produkten (auch ohne Referenzmaterial) erforderlich machen.
Die Bedürfnisse und Herausforderungen einer resilienten, nachhaltigen und effektiven Landwirtschaft, die durch eine langfristige Versorgungssicherheit gekennzeichnet ist, erfordert sowohl die NGT-Anwendung in Europa als auch global. Wir begrüßen daher moderne und sichere Instrumente im Bereich der Züchtung. Für deren Regulierung plädieren wir für eine sorgfältige wissenschaftliche Bewertung von Nutzen und Sicherheit, was wir in dem vorliegenden Vorschlag weitgehend berücksichtigt sehen. Wir brauchen aber zudem Rechtssicherheit im internationalen Agrarhandel.