Stellungnahme
20.11.2020

Offener Brief an Bündnis 90/Die Grünen „Chancen und Risiken neuer Pflanzenzüchtungstechniken wissenschaftsbasiert bewerten“

Verbaende

Chancen und Risiken neuer Pflanzenzüchtungstechniken in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels wissenschaftsbasiert bewerten

Sehr geehrte Bundesdelegierte,

wir wenden uns an Sie anlässlich der aktuellen Debatte über den zukünftigen Umgang mit den neuen Züchtungstechniken (NZT) wie Genome Editing bzw. CRISPR/Cas9 im Kontext der Ausgestaltung des neuen Grundsatzprogramms Ihrer Partei.

Wir  nehmen mit großem Interesse die innerparteilichen Debatten und die Positionierungen wahr und begrüßen den Debattenbeitrag zum Grundsatzprogramm “Neue Zeiten, neue Antworten: Gentechnikrecht zeitgemäß regulieren” ausdrücklich, da wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den NZT vom 25.07.2018 sowie dessen Konsequenzen mit großer Sorge sehen.

Die pauschale Einordnung aller Pflanzen, die mithilfe von NZT erzeugt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO), darunter auch solcher ohne artfremde Gene, widerspricht einer mehrheitlichen Empfehlung unabhängiger wissenschaftlicher Einrichtungen wie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Das Urteil macht die Anwendung der neuen Methoden in der EU und in Deutschland praktisch unmöglich und verhindert ihre vorteilhafte Nutzung für mehr Biodiversität und Nachhaltigkeit sowie eine dem Klimawandel angepasste und zukunftsfähige Landwirtschaft im Sinne der Ziele des European Green Deal. Dies steht gesellschaftlichen Ansprüchen an eine nachhaltigere Landbewirtschaftung und Lebensmittelproduktion in Europa entgegen. Damit auch möglichst viele, darunter auch kleine und mittelständische Unternehmen, das Potenzial von NZT für Forschung, Entwicklung und praktische Anwendung nutzen können, müssen dringend adäquate rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Auch bei der  Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Drittländern, in denen keine Kennzeichnungspflicht für NZT-Produkte ohne artfremde Gene besteht, sind wir durch die aktuelle Rechtslage mit gravierenden Herausforderungen konfrontiert. Wir sehen weltweit eine rasante Entwicklung von marktreifen und zugelassenen Produkten, welche auch eine große Relevanz für die deutsche und europäische Versorgungssicherheit haben. Gleichzeitig stehen derzeit keine belastbaren Nachweismethoden zur Verfügung, um die Ursache der Mutation – natürlich oder technisch induziert – zu unterscheiden. Die Entwicklung entsprechender Methoden treiben u.a. verschiedene deutsche Bundesbehörden aktiv voran. Diese Vorgehensweise begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich.

Sehr geehrte Bundesdelegierte, wir werben dafür, bei der bevorstehenden Diskussion über den Umgang mit NZT wissenschaftliche Erkenntnisse und das realistische Potenzial dieses im Oktober 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis gewürdigten Instruments anzuerkennen. Wir erlauben uns, auf den von uns gestarteten “Dialog Genome Editing” zu verweisen und laden Sie zu einem weiteren Austausch ein.“