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14.12.2022

Editorial von Martin Courbier zum Trendbrief Nr. 9: Green Deal Maßnahmen müssen auf den Prüfstand!

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, 

fast drei Jahre ist es schon her, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den europäischen Green Deal vorgestellt hat, der die EU zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Es folgte eine Vielzahl an Verordnungen und Richtlinien zur Umsetzung der ohne Frage wichtigen und richtigen Ziele des Green Deal. Für den Sektor der Land- und Ernährungswirtschaft sind dies die Biodiversitätsstrategie 2030 sowie die Farm-to-Fork-Strategie (F2F). Sie gaben uns erstmals eine konkretere Vorstellung davon, wie die übergeordneten Ziele der Klimaneutralität, der verbesserten Bodenfruchtbarkeit, der Biodiversität und andere erreicht werden sollen. Und zwar im Wesentlichen mithilfe von produktionstechnischen Restriktionen, wie der Reduktion des Einsatzes von mineralischem Dünger um 20%, der Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um 50% oder dem Ausweiten des Ökolandbaus auf mindestens 25%. 

Im Rahmen einer vom Grain Club gemeinsam mit weiteren Verbänden der Agrarwirtschaft beauftragten Studie wird deutlich, dass mit der F2F-Strategie und der Biodiversitätsstrategie starke Produktionsrückgänge für Getreide und Rindfleisch einhergehen. Das führt wiederum zur Umkehr von einer Nettoexport-Position in eine Nettoimport-Position der EU. Dadurch wird der Selbstversorgungsgrad reduziert und nachweislich mindestens eines der Green-Deal-Ziele konterkariert: nämlich die Ernährungssicherheit. Der furchtbare Einschnitt und die viel zitierte Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt aktuell, dass die Nah rungsmittelproduktion eben nicht schnell durch andere Länder gedeckt werden kann. Die Getreidebilanzen sind extrem eng, sodass die Versor gungslage der Welt mit Getreide von stabilen Produktionsbedingungen und funktionierenden Lieferketten abhängt. 

Längst hat sich die Summe aus Corona-Pandemie und Kriegsgeschehen zu einer echten Logistikkrise und da mit zu einer ernst zu nehmenden Störung ebendieser Lieferketten entwickelt. Getreideexporte aus der Ukraine gehen nach wie vor zu schleppend voran. Nach der Teilmobilmachung Russlands und den Verlautbarungen der russischen Regierung tun alle Beteiligten gut daran, den Landweg der Getreideexporte aus der Ukraine zu sichern und auszuweiten. Staus und lange Wartezeiten verhindern eine effiziente Ausfuhr per LKW und Bahn – das muss kurzfristig dringend verbessert werden. 

Um es abschließend deutlich zu sagen: Zu behaupten, die aktuellen Krisen dürften nicht zum Umdenken in der EU-Agrar- und Landwirtschaftspolitik führen, ist realitätsfern. Noch einmal: Die Ziele des Green Deal teilen wir kompromisslos. Aber die Maßnahmen zum Weg dorthin müssen in der heutigen Weltlage dringend auf den Prüfstand! 

Die Ziele des Green Deal teilen wir kompromisslos. Aber die Maßnahmen zum Weg dorthin müssen in der heutigen Weltlage dringend auf den Prüfstand!

Martin Courbier, Geschäftsführer DER AGRARHANDEL

Lesen Sie die 9. Ausgabe des Trendbriefes Agrarwirtschaft.