Lebensmittel können auf die Dauer nur bereitgestellt werden, wenn Böden, Vielfalt von Flora und Fauna, Wasser und Luft nicht zerstört werden. Der Schutz dieser natürlichen Ressourcen hört jedoch nicht an den Landesgrenzen auf. Eine starke Extensivierung der Landwirtschaft der Europäer – zusammen mit den nicht nachhaltigen Konsumgewohnheiten – würde zu Landnutzungsänderungen in tropischen Regionen führen, wo natürliche Ökosysteme und Lebensräume in Produktionsflächen umgewandelt werden. Das betrifft tropische Regenwälder, Moore, Savannenvegetation und Dauergrünland. Solche Nutzungsänderungen verursachen riesige Verluste von Biodiversität und setzen hohe Mengen von Klimagasen frei.
Produktivität und ökologische Nachhaltigkeit sind deshalb gleichwertige Ziele in der Landwirtschaft. In der Zukunft geht es vor allem um die Frage, wie man den Zielkonflikt zwischen diesen beiden am besten lösen kann. Im heutigen Kontext gibt es dazu zwei Strategien. Die intensive Landwirtschaft einerseits optimiert die Erträge und versucht die negativen Umweltwirkungen immer besser in den Griff zu bekommen.
Produktivität und ökologische Nachhaltigkeit sind […] gleichwertige Ziele in der Landwirtschaft.
Der Ökolandbau andererseits belastet die Umwelt deutlich weniger und versucht die geringeren Erträge wettzumachen, indem er auf eine nachhaltige Ernährungsweise mit weniger Fleisch und weniger Verschwendung setzt. Beide Strategien – man nennt sie Effizienz gegen Suffizienz – können funktionieren, das zeigen globale Modellierungen. Wobei ich die SuffizienzStrategie für bedeutend risikoärmer, aber mühsamer in der Umsetzung halte. Wenn jedoch die globale Erwärmung die Ernährungssicherheit gefährdet, dann funktionieren beide Strategien nicht.
Die Pflanzenzüchtung spielt für beide Strategien eine große Rolle. Anpassung an die spezifischen Eigenheiten der verschiedenen Anbausysteme und an den Klimawandel sind neue Zuchtziele, welche die Arbeit der Züchter sehr anspruchsvoll und gleichzeitig auch spannend machen. Um den Anforderungen zu genügen, werden die Kulturpflanzen- und die Sortenvielfalt größer werden. „Genotype x Environment x Management“ hat sich seit etwa 15 Jahren als Formel der Züchtung definitiv etabliert. Die Anpassung an das Management wird in Zukunft noch wichtiger sein. Deshalb pocht der Biosektor auf eine eigene Züchtung, weil die Anforderungen der Anbaurichtlinien (= Management) an die Züchtungsmethoden und an den Züchtungsprozess anders sind. Züchtungsmethoden, die unter Umgehung von Kreuzungen direkt ins Genom eingreifen, sind verboten. Für eine möglichst umweltschonende konventionelle Landwirtschaft hingegen steht im Vordergrund, wie gut die Nährstoff- und Wassernutzungseffizienz sowie die Unkrautkonkurrenz und Schaderreger-Resistenz der neuen Sorten sind, um die negativen Umweltwirkungen zu reduzieren. Dazu sind aus heutiger Sicht die Methoden der Genom-Editierung am effizientesten und schnellsten.
Zwischen der alten Gentechnik mit Übertragung von artfremden Genen und den neuen Züchtungstechniken […] bestehen große wissenschaftliche Unterschiede.
Die Potenziale und die Risiken müssen deshalb breit diskutiert und neu abgewogen werden. Die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Landwirte ist aber ein wichtiges Gut. Deshalb wird es in Zukunft zwei Züchtungspfade geben: einer, der auf der traditionellen Kreuzungszüchtung basiert und den vor allem die Öko-Züchter erfolgreich verfolgen, und einer, der auf der Genom-Editierung basiert. Bei letzterem Weg ist absehbar, dass rasch große Fortschritte möglich werden. Beide Pfade sollten in einer Art der friedlichen Koexistenz intensiv verfolgt werden. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig, dass die Ziele einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährung mit unterschiedlichen Methoden erreicht werden. Deswegen sollten die Züchtungsbemühungen sowohl den Anforderungen des Ökolandbaus wie einer umweltfreundlichen konventionellen Landwirtschaft nachkommen. Da beide zunehmend die gleichen Zuchtziele haben, setzt sich am Schluss der bessere Weg durch.
In einer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig, dass die Ziele einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährung mit unterschiedlichen Methoden erreicht werden.
Agrarwissenschaftler, Direktor des Institute of Sustainable Food & Farming Systems (agroecology.science)
Dieses Interview und noch mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Trendbriefes Agrarwirtschaft. Dieses Thema greifen wir im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe „Dialog Genome Editing“ auf.